Analyse: Die GroKo ist in Harburg alternativlos

Rathaus2Harburg – Ein  böses Wort wird in den letzten Tagen so manchem Harburger Sozialdemokraten durch den Kopf gegangen sein: alternativlos! Es ist tatsächlich bitter, dass die

Genossen, die drei Jahre mit absoluter Mehrheit in der Bezirksversammlung machen konnten was sie wollten (dies aber nicht wirklich genutzt hatten) und dann trotz massivstem innerparteilichen Gemetzels die Bezirkswahl  immer noch als die mit Abstand stärkste Fraktion überstanden, dass diese Genossen feststellen mussten: Wir haben nur eine Wahl, nämlich die GroKo mit Ralf-Dieter Fischer – für viele in der SPD wegen seiner  in den Augen der Genossen ausgeprägten Neigung zur Vetternwirtschaft immer noch der bad guy der südelbischen Kommunalpolitik.

Alle, die insgeheim auf ein Scheitern der sich dahinschleppenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU gehofft hatten, um dann doch noch den Traum von einer romantisch-verklärten Liebesheirat mit den Grünen verwirklichen zu können, sind in der vergangenen Woche vom Heimfelder Kay Wolkau deutlich darauf aufmerksam gemacht worden: Die Harburger Grünen waren keine Alternative. Schon nach wenigen Wochen wäre die knappe Zwei-Stimmen-Mehrheit von Rot-Grün erodiert, dann hätte womöglich nur noch ein einziges falsches Wort gefehlt, um die Genossen um die Geschlossenheit in den eigenen Reihen zittern zu lassen.

Es war absehbar, dass die grüne Herrlichkeit nach der Wahl zerbröselt. Selbst wenn nichts aus ihren internen Zirkeln nach außen gedrungen wäre, hätte jeder aufmerksame Beobachter gemerkt, was da los war: Mehrere Male vertraten Fraktionschefin Britta Herrmann und Vize Kay Wolkau in Ausschüssen unterschiedliche Positionen – nicht etwa inhaltlich, sondern es ging um Verfahrensfragen. Wolkau wollte öffentlich demonstrieren: „Ich kann’s besser!“ Dass er in geheimer demokratischer Wahl um den Fraktionsvorsitz mit zwei zu fünf gegen Herrmann den Kürzeren gezogen hatte, wollte er nicht akzeptieren. Egal, wer da vorher Stimmung gemacht hatte. Das sind die üblichen Vorgänge in einer Partei, und auch die Tatsache, dass mit Baudezernent Jörg Penner, einst Vorstandssprecher der Kölner Grünen, offenbar ein Außenstehender Mitglieder der Fraktion entscheidend beeinflusst hatte, ändert nichts daran, dass jene Wahl ein demokratischer Akt war. Und zur Demokratie gehört auch, Mehrheiten zu akzeptieren.

Gekränkte Eitelkeit als Grund, seine Partei zu verlassen und nun als Vertreter der Neuen Liberalen in der Bezirksversammlung zu sitzen? Einige Beiträge von Kay Wolkau in den sozialen Medien sprechen für diese These. Wie auch immer: Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Jörg Penner und seine Mit-Drahtzieher der unerfahrenen Britta Herrmann wirklich einen Gefallen getan haben, sie ganz nach vorn zu schieben. Ab November droht das Ungeheuer GroKo, da muss Opposition gerissen, stark und mit allen parlamentarischen Tricks vertraut sein.

So wie Sabine Boeddinghaus von der Linken. Ihre Stärke hat die SPD auch davor zurückschrecken lassen, wechselnde Mehrheiten als ernsthafte Alternative in Betracht zu ziehen. Man wollte sich nicht von einer „Ehemaligen“ vorführen lassen. Und die Nadelstiche, die FDP-Mann Carsten Schuster mit sinnvollen Vorschlägen zur Bürgerbeteiligung anbringt, tun den GroKos nicht weh. Das wird mit großer Mehrheit weggebürstet – ohne schlechtes Gewissen. Das Fell in Sachen Bürgerbeteiligung scheint dicker zu werden.

Also: Die GroKo ist alternativlos. Trotzdem dümpelt die Harburger Kommunalpolitik seit fünf Monaten ohne Agenda vor sich, erst am Freitag wird die Kreisdelegiertenversammlung der SPD entscheiden, ob sie dem Koalitionsvertrag zustimmt, in der Woche darauf wird die führende Männerriege der CDU den Parteifreunden sagen, was sie ausgehandelt hat.

Da die GroKo und damit auch der GroKo-Vertrag alternativlos sind, dürfte die Zustimmung bei der SPD sicher sein, bei der CDU eher auf Grund der parteiinternen Machtverhältnisse. Hier und da könnte es Gemurre geben, denn der Koalitionsvertrag soll ziemlich „kopflastig“ sein, sprich: Es soll ungewohnt viele Vereinbarungen zu kulturellen Themen geben. Das wäre eindeutig die Handschrift von Kunstsammler Ralf-Dieter Fischer – und das wäre gut so! Harburg hat schon mit dem fast eigenständigen Kulturausschuss ein positives Zeichen gesetzt, jetzt geht es darum, weitere Freiräume für Künstler zu schaffen und das Klima in den Köpfen der Verwaltung so zu verändern, dass sie ihre ganze Kreativität nicht nur in die Verhinderung von Kultur, Sport und Freizeit stecken.

Das alles ist nichts gegen eine Frage: Ist die SPD personell in der Lage, Ralf-Dieter Fischer zu zügeln? Klar, mit 66 Jahren will er es noch einmal richtig krachen lassen. Fischer hat Lust auf fünf Jahre „Harburg regieren“. Dass er das besonders gut kann, davon ist er seit dem schwarzen Intermezzo mit Ole von Beust (aus Sicht mancher Genossen ein Betriebsunfall) überzeugt. ag