Harburg - Auch ein halbes Jahr nach der Bezirkswahl gibt es in Harburg keine Koalition und auch keinen Bezirksamtsleiter. Schuld sind die Querelen in der SPD. Trotz Verhandlungen mit den Grünen und den Linken ist keine Mehrheit in Sicht.
Nach der Wahl hatte sich die Harburger SPD für eine Koalition mit den Grünen und Linken ausgesprochen. Für die vorherige Koalition hatte es, durch die herben Verluste der Grünen, keine Mehrheit mehr gegeben.
Für die neue Wunsch-Koalition der SPD ist die SPD selbst das Problem. Zwar haben die Sozialdemokraten bei der Bezirkswahl 15 Sitze erringen kommen. Mit den acht Sitzen der Grünen und den vier Sitzen der Linken wären es 27 Sitze. Das würde für eine stabile Mehrheit in der Bezirksversammlung reichen, in der 51 Abgeordnete sitzen - theoretisch. Praktisch hat die SPD lediglich zehn sichere Stimmen in ihrer Fraktion. Damit würde die Koalition über 22 Stimmen in der Bezirksversammlung verfügen. Das sind zu wenige.
Denn in der SPD herrscht Krieg zwischen den aktiven Mitgliedern. Auslöser waren Anzeigen wegen Diebstahls und der Beschädigung von Wahlplakaten durch Genossen gegen Genossen. Es gab Hausdurchsuchungen durch die Polizei und Parteiordnungsverfahren, mit denen die alt eingesessenen Genossen die Newcommer kalt gestellt haben. So galten Benizar Gündogdu und Mehmet Kizil, beide waren zeitweise von einem Betätigungsverbot betroffen, als aussichtsreiche Kandidaten für die Bürgerschaftswahl.
In Süderelbe gab es eine Kampfabstimmung zwischen Matthias Czech und Benizar Gündoğdu um ein Bürgerschaftsmandat, die Czech im zweiten Wahlgang mit 75 zu 58 Stimmen für sich entscheiden konnte. Welche Rolle dabei die Parteiordnungsverfahren spielte, durch das Gündoğdu beschädigt wurde, ist unklar. In Harburg wurde Sören Schumacher gewählt.
Die kalt gestellten Genossen, die in der Bezirksversammlung sind, rächten sich. Sie lassen aktuell die zu den alten Strukturen der SPD zählenden Genossen abblitzen, indem sie einfach nicht in die Bezirksversammlung kommen. Somit gibt es dort keine Mehrheit für die gewünschte Koalition. Eine "Versöhnung" ist eher unwahrscheinlich. Damit hat eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken auch in Zukunft keine sichere Mehrheit.
Ein erste "Opfer" gab es schon. Die in ihrer Amtszeit eher glanzlose Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen trat angesichts der unsicheren Mehrheitsverhältnisse nicht wieder an.
Aus der SPD hieß es, dass man mit der Bildung einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken rechne - im Februar. Völlig offen ist, wer Bezirksamtsleiter in Harburg werden wird. Es läuft zunächst auf eine Ausschreibung hinaus. Bislang führt Fredenhagens ehemaliger Stellvertreter Dierk Trispel das Bezirksamt kommissarisch. Er erntet für seine Arbeit parteiübergreifend Anerkennung. Doch Trispel will nicht ewig dienen, sondern in die ihm bereits zustehende Pension gehen. zv