Harburg – Es war ein Ritt auf ganz dünnem Eis. Als klar war, dass der SPD-Abgeordnete Arendt Wiese nicht an
der Sondersitzung zur Wahl der neuen Bezirksamtsleiterin teilnehmen wird, hatte es im Gebälk des eben erst gegründeten „Fredenhagen-Wahlvereins“ aus SPD, Linken und Grünen besorgniserregend geknackt. Von der rechnerischen Mehrheit von drei Stimmen über den notwendigen 26 war schon mal ein Drittel weg.
In der geheimen Wahl der Bezirksamtsleiterin war dieser Mut nicht mehr gefragt. Prompt knackte es noch zweimal. 26 Stimmen für Fredenhagen, 22 gegen sie, eine Enthaltung. Vorausgesetzt, Linke und Grüne haben geschlossen Fredenhagen gewählt, müsste sich bei der SPD noch einer gegen sie entschieden, einer sich enthalten haben. Da die Wahl aber geheim war, wäre alles Weitere Spekulation.
CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer hatte noch eine andere Version anzubieten: Zur ursprünglich geplanten Sitzung am 6. September wäre Wiese ja gekommen, aber als diese dann auf den 10.September verschoben wurde, hätte Wiese schon seinen Urlaub gebucht. Was Fischer wiederum als „weiteren Beweis für das unprofessionelle Management“ der SPD-Führung wertete.
Und Fischer hatte noch mehr Gift für seinen einstigen Koalitionspartner. Gegenüber Journalisten behauptete er, Barbara Lewy von den Neuen Liberalen habe auch für Fredenhagen gestimmt. Weil, so Fischer, „sie zurück zur SPD will“. Lewy war früher Genossin, war dann aber zu den Neuen Liberalen gewechselt. Würde das stimmen, müsste noch ein SPD-Abgeordneter mit Nein gestimmt haben. Im Übrigen hat Barbara Lewy Fischers Darstellung dementiert: „Das ist einfach nicht wahr.“
Fast alle Redner dankten anschließend dem stellvertretenden Bezirksamtsleiter Dierk Trispel, der die Amtsgeschäfte seit der Erkrankung von Thomas Völsch geführt hatte. Und sonst? Immer wieder Kritik an der GroKo für ihre öffentlich ausgetragenen Diskussionen über die Qualitäten der Kandidatin. Die Urteile: „Unsägliches Gezerre“ (André Lenthe, Linke), „unanständig“ (Britta Herrmann, Grüne), „beschämend“ (Carsten Schuster, FDP), „unterirdisch“ (Harald Feineis, AfD) und „ziemlich ärgerlich“ (Kay Wolkau, Neue Liberale). SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath nahm die Kritik an: „Das war wirklich kein Ruhmesblatt für dieses Haus.“
Ralf-Dieter Fischer ignorierte die Kritik und schoss noch einmal heftig gegen Fredenhagen, warf ihr unter anderem vor, im Falle eines Pakistani, der im Oktober 2017 in Neuwiedenthal eines seiner Kinder getötet hatte, hinterher als Jugendamtsleiterin festgestellt zu haben, dass „unser Methode im Umgang mit Migranten nicht wirksam ist“. Fischer: „Das hätte ihr früher einfallen können.“
Nun ist das alles Geschichte, Fredenhagen ist gewählt und wartet nun darauf, dass der Senat sie als neue Bezirksamtsleiterin bestellt. Das könnte Anfang Oktober geschehen. ag


