Harburg - Hausdurchsuchung bei SPD Bezirksabgeordneten. NDR 90,3 berichtet über mehrere vollstreckte Durchsuchungsbeschlüsse. Es geht um die Beschädigung von Wahlplakaten. In einem Interview wirft der Anwalt von den beschuldigten Genossen, die türkischstämmig sind, die SPD Harburg durch die Blume Rassismus vor. "Hier möchte offenbar jemand verhindern, dass türkischstämmige erfolgversprechende Mitglieder der SPD Harburg auf gute Listenplätze kommen", so Mathias Frommann, ehemaliger Bezirksamtsleiter (SPD) in Nord gegenüber NDR 90,3. Damit wurde eine nächste Eskalationsstufe im innerparteilichen Streit bekannt. Versöhnung scheint nahezu ausgeschlossen. Die Harburger Genosse sind offenbar eine tief gespaltene Fraktion.
Dass es Streit zwischen dem Lager um Frank Richter und dem Lager um Oksan Karakus gibt, ist bekannt. Dass es jetzt auch über die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes, zuständig für politische Delikte wie die Beschädigung von Wahlplakaten, ausgetragen wird, dürfte das letzte bisschen Kitt zwischen den beiden Gruppen aus dem Rahmen geschlagen haben. Im Zuge von Ermittlungen war es am 6. Juni zu ersten Hausdurchsuchungen gekommen. Vergangene Woche schlug die Polizei erneut auf, nachdem man weitere Erkenntnisse hatte. Es kam erneut zu drei Durchsuchungen. Auslöser war nach Informationen von harburg-aktuell Straftaten im Zusammenhang mit Wahlplakaten von Natalie Sahling. Danach waren zwei junge Männer dabei überrascht worden, wie sie Plakate wegschafften. Acht Plakate werden ihnen zugeordnet. Aus der SPD heißt es, dass rund 200 Plakate von Frank Richter und Natalie Sahling vor allem im Süderelberaum aus dem Straßenbild verschwunden waren. So soll unetr anderem die gesamte Plakatierung der SPD an der B73 auf einer Länge von rund elf Kilometern "abgeräumt" worden sein.
Das ist für Frommann beim NDR 90,3 kein Thema. Dort wird der "Seelenpain" eines Jugendlichen thematisiert. Der 17-Jährige haben bei der Durchsuchung der Wohnung die Hände über der Bettdecke lassen müssen. Kein Thema ist ebenfalls, dass ein Durchsuchungsbefehl nicht einfach so angeordnet und vollstreckt werden kann. Ein Staatsanwalt muss ihn beantrage und ein Richter genehmigen, was einen "hinreichenden Tatverdacht" voraussetzt. Zudem muss die Chance bestehen, bei der Durchsuchung weitere Beweismittel zu finden. Wahlplakate abzuhängen und mitzunehmen ist ein Diebstahl, ihre Zerstörung eine Sachbeschädigung. Frommann sieht das Vorgehen der strafverfolgungsbehörden als überzoigen an und hat, so sagte er gegenüber NDR 90,3 Beschwerde gegen die Durchsuchungen eingelegt.
Dass man unversöhnlich ist, hatte sich nach der Bezirkswahl bei der Besetzung der Posten in der Bezirksversammlung gezeigt. So gingen sämtliche mittlerweile unanständig gut dotierten Posten in der Bezirksversammlung an die Männer und Frauen aus dem Richter-Lager gegangen. Die sechs Fraktionsmitglieder der Karakus-Gruppe wurden mit Normalmandaten abgespeist, die weniger prestigeträchtig und weniger gut dotiert sind. Allerdings sitzen in dem Bezirksversammlung aus dem Lager auch fast ausschließlich "Neulinge".
Auch der Vorsitz der Bezirksversammlung wurde an Holger Böhm gegeben, der den Leuten um Richter zugerechnet wird. Er hatte bei der geheimen Wahl zum Vorsitzenden einige Stimmen nicht bekommen. Jetzt liegt der Verdacht nahe, dass in geheimer Wahl die "anderen" SPD Fraktionsmitglieder ihm ihre Stimme versagt haben.
Das lässt auch eine Fraktionssitzung der SPD im Harburger Rathaus am vergangenen Freitag, von der Politik-Insider berichteten, in neuem Licht erscheinen. Ging es um die Nein-Stimmen bei der Wahl von Böhm? Denn Richter, der die sechs Genossen "aus dem anderen Lager" scheinbar stiefmütterlich behandelt, ist eigentlich auf sie angewiesen.
Für die noch nicht gefundene Koalition, die in den kommenden fünf Jahren die Geschicke im Bezirk Harburg leiten soll, sind das ganz schwere Voraussetzungen. Es könnte zum offenen Streit unter den Genossen im Harburger Rathaus, ja sogar zu Spaltung der SPD-Fraktion kommen. Dann wäre man nicht einmal mehr in einer Viererkoalition aus SPD, Grüne, Linke und Volt mehrheitsfähig.
Besonders unwohl dürfte sich Harburgs glanzlose Verwaltungschefin Sophie Fredenhagen bei der Sache fühlen. Sie muss Anfang September in geheimer Wahl in ihrem Amt als Bezirksamtsleiterin bestätigt werden. Dass Genossen der Wahl-Bezirksamtsleiterin von Frank Richter die Stimme verweigern, dürfte nicht ausgeschlossen sein.
Vielleicht ist die Öffentlich-Machung der Durchsuchungen, bei der Tatverdächtige ins Opferlicht gerückt werden, auch nur ein Schachzug der türkischstämmigen SPD-Abgeordneten, die sich gefunden haben. Die SPD hat noch keine Kandidaten für die kommende Bürgerschaftswahl nominiert. Versuchen die "türkischstämmigen Bezirksabgeordneten", wie Frommann sie nennt, über die Rassismus-Keule Sören Schumacher und Matthias Czech aus dem Rennen um ein Bürgerschaftsmandat zu drängen? Aus der SPD hört man die: Anwärter aus dem anderen Lager stünden schon in den Startlöchern. zv