Harburg - Eigentlich dürft es sich wie ein Ritterschlag anfühlen, wenn man es als Lokalpolitiker in die renommierte Wochenzeitung "Die Zeit" schafft. Eine, die es geschafft hat, ist Claudia Loss, neue Kreisvorsitzende in Harburg und Bürgerschaftsabgeordnete der SPD. Der Artikel, der dort erschien, ist aber wenig schmeichelhaft. Und das nicht nur für Claudia Loss und die Harburger SPD, sondern für alle Hamburger Genossen und die darin namentlich in dem Zeit-Artikel erwähnte Landeschefin der SPD, Wirtschaftssenatorin und Marmstorferin, Melanie Leonhard.
Der aufgeweckte Beobachter der Harburger Politik, wird ahnen, worum es geht. Genau: um den Vorwurf der Zerstörung und den Diebstahl von Wahlplakaten von Genossen durch Genossen. Es ermittelt die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes. Der Fall sorgte für Furore und differenzierte Sichtweisen. Vor allem sorgte er aber dafür, dass aussichtsreiche türkischstämmige Kandidaten mit Blick auf die Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr kalt gestellt und gute Posten für "alte weiße Männer und Frauen" in der Harburger SPD gesichert wurden.
Es geht um Benizar Gündoğdu und Mehmet Kizil. Gegen beide ist ein ein dreimonatiges innerparteiliches Betätigungsverbot verhängt worden. In dem artikel geht es um die Nähe der Hamburger SPD-Spitze zu den Konkurrenten, der so kalt gestellten Lokalpolitiker und Aussagen, die nach Recherche der Zeit so nicht zutreffen. Und es geht um den geradezu ideal gewählten Zeitpunkt der "Betätigungsverbots" - vor allem für Konkurrenten der beiden aussichtsreichen potentiellen Bürgerschaftskandidaten. Sowohl Gündoğdu, wie auch Kizil können sich damit nicht als Bürgerschaftskandidaten aufstellen lassen.
Was in dem Artikel der Zeit mitklingt: es ist ein Kampf zwischen Ethnien, bei der auf der einen Seite die alteingesessenen Bio-Deutschen, auf der anderen Seite die türkischstämmigen Mitglieder stehen, die in ihrer Community mobilisieren, um Posten, Macht und Einfluss innerhalb der SPD zu bekommen. Als Beleg wird in dem Artikel eine Email genannt, die im Frühjahr die damals amtierende Kreisvorsitzende erreichte, in der laut Zeit mitgeteilt wurde, dass "nicht unerhebliche" Teile der SPD Angst vor "Unterwanderung" hätten.
"Was Weiland meint, ist der Verdacht, Harburger mit türkischem Migrationshintergrund träten nur in die SPD ein, um dort ihre gleichfalls migrantischen Genossinnen und Genossen zu unterstützen", schreibt die Zeit. Eigentlich ist das peinlich für eine Partei, die sich so gern an dem Begriff "bunt" lang hangelt, der es in dem Fall aber offensichtlich "zu bunt wurde".
Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, das politische Ämter mit solchen Mitteln erreicht werden. Auf lokaler Ebene klappt mittlerweile sowas. In der CDU schaffte es so einst ein russischstämmiges Mitglied in die Bürgerschaft und auch Olga Petersen, ehemals in der AfD, dürfte ihren Sitz in der Harburger Bezirksversammlung, der in den kommenden fünf Jahren mit immerhin über 60.000 Euro "Aufwandsentschädigung" plus anderen finanziellen Wohltaten dotiert ist, in nicht unerheblichem Maße ihrer russischen Abstammung und weniger politischen Inhalten verdanken.
Allerdings muss man wissen: auch andere Teile der SPD setzen auf das Prinzip "Blut ist dicker als Wasser". So wirken einige Versammlungen in den Distrikte, wie die Ortsvereine bei der SPD genannt werden, eher wie ein Familientreffen. aber auch das ist kein Phänomen, dass die SPD allein betrifft. Auch bei anderen Parteien gibt es diese Strukturen.
Man wird sich bei den Harburger Genossen noch auf weitere Artikel einstellen müssen. Von besonderem Interesse soll dabei eine Sitzung vom 2. Juni 2014 sein. Eine erste "Plaudertasche" soll es schon geben. zv