Kommentar - Man fragt sich, wenn es um die Zusammenlegung von der Drogeneinrichtung Abrigado, der Harburger Tafel und Sozialwohnungen in einem Gebäudekomplex geht, ob SPD-Fraktionschef Frank Richter lästige Realität ausblendet oder einfach nur naiv ist. Er setzt darauf, das verschiedene Öffnungszeiten und Eingänge Probleme verhindern.
Denn den meisten Menschen scheint gar nicht bewusst, was das Abrigado ist. Es ist in erster Linie ein Drogenkonsumraum mit Betreuungs- und Beratungsangebot. Konsumiert werden illegale, harte Drogen. Die werden nicht im Abrigado zur Verfügung gestellt. Die Süchtigen, zwei Drittel sind Konsumenten von Crack, müssen sie illegal bei Rauschgifthändlern kaufen.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich im Umfeld von solchen Einrichtungen immer eine Drogenszene etabliert - mit allen Konsequenzen. Dazu gehören Beschaffungskriminalität, Verwahrlosung, rüder Umgang untereinander bis hin zu Gewaltexzessen. Erst kurz vor dem Jahreswechsel wurden am Abrigado zwei Männer aus der Szene niedergeschossen. Das war eine Tat - Einsatz einer Schusswaffe, zwei Opfer - wie man sie nur sehr selten in Hamburg erlebt.
Das Abrigado wird von Bezirkspolitikern gern als "Leuchtturmprojekt" bezeichnet. Das kann man machen. Es ist aber ein Leuchtturmprojekt mit erheblichen Nebenwirkungen. Sicher hat man dort keine Szene, die sich an Öffnungszeiten hält und ansonsten verschwindet, wenn bedürftige und oft auch alte Menschen zur Tafel kommen. Man wird sich auch nicht an Zugangsbereichen orientieren, um eine saubere Trennung hin zu bekommen und auch keine Grenzen akzeptieren. Es wird sich eine Szene bilden, die sich rund um die Einrichtung aufhält. Es werden Dealer dort auf Kunden warten und man wird weiter die Schwarzenberganlagen nutzen, um Drogendepots anzulegen, aus denen der Nachschub für den nächsten Rauschgiftdeal geholt wird.
Und die Szene wird größer werden. Ein verbessertes Angebot wird mehr Drogenabhängige anziehen. Das Abrigado war mal als Einrichtung für die lokale Drogenszene gedacht, als es im Mai 1994 eröffnet wurde. Mittlerweile ist das Publikum international. Viele, eigentlich die meisten, haben keinen gewachsenen Bezug zu Harburg. Und: Das Abrigado platzt aus allen Nähten, was eine bemerkenswerte Entwicklung ist, da seit damals die Zahl der Konsumenten harter Drogen in Hamburg eher ab- als zugenommen hat.
Die Gründe? Einerseits ist der Verfolgungsdruck in Hamburg durch die Task-Force der Polizei gestiegen, die St. Georg, St. Pauli und die Schanze, aber kaum Harburg im Blick hat. Andererseits sind die vergleichbaren Drogeneinrichtungen wie der Fixstern in Altona oder das Drug-Mobil in Billstedt geschlossen worden.
In Hamburg gibt es als vergleichbare Einrichtungen noch das Dob Inn in St. Georg, um das sich einer der Kriminalitätsschwerpunkte in Hamburg gebildet hat, das Stay Alive in der Virchowstraße in Altona, gegen das seit Jahren Anwohner wegen der Zustände, die sich im Umfeld etabliert haben, Sturm laufen, und eben das Abrigado, in dessen Umfeld man nicht nur die Lebenden, sondern auch die Toten schützen muss, nachdem der angrenzende jüdische Friedhof zu einem Drogenkonsumplatz verkam.
So eine Einrichtung räumlich mit der Harburger Tafel zusammen zu legen ist einfach nur eine menschenverachtende oder völlig beknackte Idee.
André Zand-Vakili