Harburg - Die 87-jährige Dagmar Lieblová ist eine der wenigen noch lebenden Zeitzeugen des Holocaust. Trotz ihres hohen Alters spricht die in Prag lebende
Lieblová auf vielen Auslandsreisen mit unzähligen Jugendlichen und Erwachsenen über ihr Leben und den nationalsozialistischen Völkermord.
Auf Einladung der Initiative Gedenken in Harburg war Dagmar Lieblová am Montag und Dienstag zu Gast in Harburg. "Möglich wurde dies durch das Preisgeld des Hans-Frankenthal-Preises, mit dem wir 2016 ausgezeichnet wurden", sagte Klaus Möller von der Initiative Gedenken in Harburg am Montagabend gegenüber harburg-aktuell.

"Die Schüler des Geschichtsprofils der Oberstufe haben sich intensiv auf das Gespräch vorbereitet", sagte Thomas Grübler, Leiter der STS Fischbek-Falkenberg. "Dazu haben sie unter Leitung von Karl-Heinz Schultz das Gelände des Außenlagers am Falkenbergsweg besucht und einen Einblick in den Alltag der Gefangenen hier vor Ort erhalten."
Am Montagabend folgten mehr als 100 Gäste der Einladung zum Zeitzeugengespräch ins Gemeindezentrum der St. Trinitatis-Kirche an der Bremer Straße. In Vertretung von Bezirksamtsleiter Thomas Völsch überbrachte der stellvertretende Vorsitzende der Bezirksversammlung, Robert Timmann, die Grußworte des Bezirks.
Dagmar Lieblová wurde 1929 im Tschechischen Kutna Hora (Kuttenberg) als älteste Tochter eines jüdischen Arztes geboren. Im Alter von 13 Jahren kam sie nach Theresienstadt und im darauf folgenden Jahr ins KZ Auschwitz. Als einzige Überlebende ihrer Familie wurde sie im Sommer 1944 in das KZ-Außenlager Dessauer-Ufer im Hamburger Hafen verbracht. Zwei Monate später kam sie ins Frauenaußenlager des KZ Neuengamme am Falkenbergsweg in Neugraben.
"Ich hatte großes Glück gehabt, denn jemand hatte mein Alter falsch geschrieben. Nur weil ich auf einem Stück Papier schon als 16-Jährige geführt wurde, kam ich in das Arbeitslager - und so habe ich überlebt", sagte Dagmar Lieblová, die beim Bau einer Plattenhaussiedlung, der Trümmerbeseitigung und beim Ausheben eines Panzergrabens eingesetzt wurde.
"Am Falkenbergsweg hausten etwa 500 Frauen in zwei Wohnbaracken auf engstem Raum", so Lieblová. Die Verpflegung war ebenso mangelhaft wie die medizinische Versorgung. Darüber hinaus litten die Häftlinge unter den nassen und kalten Witterungsbedingungen vor Ort und der Willkür des Lagerkommandanten Friedrich Wilhelm Kliem.

Im Gemeindezentrum St. Trinitatis, Bremer Straße 9, ist noch bis 21. Mai die Wanderausstellung "Neue Anfänge nach 1945? - Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen" der Evangelischen Akademie zu sehen. (cb)