Was macht ein Team zur erfolgreichen Mannschaft?
Foto: André Zand-Vakili

Was macht ein Team zur erfolgreichen Mannschaft?

Ratgeber - „Elf Freunde müsst ihr sein,“ hat der damalige Bundestrainer Sepp Herberger 1954

vor dem Endspiel gegen die haushoch favorisierten Ungarn an seine Mannen appelliert. Dass er vermutlich nicht der Erste war, der diesen Satz benutzt hat, tut der Wirkung keinen Abbruch. Schließlich lief die deutsche Elf nach Herbergers Ansprache motiviert genug auf den Rasen, um mit einem 3:2 gegen Ungarn beim „Wunder von Bern“ erstmals Weltmeister zu werden.

Was mittlerweile als Binsenweisheit gilt, hat einen soliden psychologischen Hintergrund. Elf Spieler aufs Feld zu schicken ist eine Sache, doch die Kicker dazu bringen, zu einer Mannschaft zu verschmelzen, steht auf einem anderen Blatt.

Doch wie das Dribbeln, Pässe und Ausweichmanöver lässt sich auch Teamgeist trainieren. Dazu gehören allerdings Geduld und Einfühlungsvermögen. Selbst so erfolgsverwöhnte Mannschaften wie der Rekordmeister Bayern München haben es nicht immer einfach aus den „Ich-AGs“, wie Lothar Matthäus die Diven in seinem Sport genannt hat, davon zu überzeugen, dass die kollektive Leistung wichtiger ist als das Ego mancher Kicker.

Aus gutem Grund schauen auch so manche Wettfans außer auf die Wetttipps von heute auch vor den Spielen nach Anzeichen, ob es im Team dicke Luft gibt oder ob ein neuer Trainer für ein neues Gemeinschaftsgefühl gesorgt hat.

Dazu gehört ein gemeinsames, allen bekanntes Regelwerk, das auch eingehalten wird. Extrawürste für einige Spieler oder harte, nicht nachvollziehbare Strafen für andere sind für den Teamgeist schädlich. Schließlich kann nur an einem Strang gezogen werden, wenn es die gleichen Bedingungen für alle gibt, ohne Ausnahmen oder Bevorzugungen.

Das heißt nicht, dass auf Hierarchie verzichtet wird. Neuankömmlinge, die sich erst erweisen müssen, können nicht erwarten, dass ihnen die Führung anvertraut wird, nur weil sie meinen, statistisch gesehen an der Reihe zu sein.

Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Um aus allen Spielern die bestmögliche Leistung herauszuholen, müssen sie sich auch alle geschätzt fühlen. Nicht jeder Kicker hat es sogar nach einem Blitzstart in puncto Karriere anschließend mühelos. „Uns Uwe“ Seeler, der 1954 als 17-jähriger sein Nationaldebüt hatte, saß von den nächsten 23 Länderspielen in den kommenden vier Jahren 19 Begegnungen aus, ehe ihn Sepp Herberger zum Stammspieler machte. Bayern-Star Lothar Matthäus hatte seinen ersten Einsatz als Nationalspieler bei der Europameisterschaft 1980, um anschließend 17 Monate auf sein nächstes Länderspiel zu warten. Erst 1983 legte er richtig los, als es ihm allmählich gelang, den von Paul Breitner bevorzugten Wolfgang Dremmler zu verdrängen. Mittlerweile steht Matthäus dank sieben Meistertiteln, fünf Weltmeisterschaften und 150 Länderspielen im Guinnessbuch der Rekorde.

Dass es schwierig sein kann, aus elf Individuen eine harmonisch aufeinander abgestimmte Mannschaft zu schaffen, lässt sich allein anhand der Größe des Teams nachvollziehen. Doch selbst beim Doppel wie im Tennis ist es nicht immer einfach, aus den beiden Spielern eine Einheit zu kreieren. Dabei stehen seit Jahrzehnten im Doppel Spieler aus den USA an der Spitze, weil diese bereits als Collegesporter als Duo ausgesucht und trainiert werden. Und selbst dann ist es nicht einfach, vielversprechende Spieler zu finden, die es als positive Herausforderung sehen, gegenseitig das Beste aus sich herauszuholen und den anderen zu fördern, statt sich selbst in den Vordergrund zu drängen.

Manchmal reicht eine Veränderung in der Kommunikation, um die sportlichen Ergebnisse zu verbessern. Gerade in Sportarten wie beim Fußball, Handball, aber auch Curling, wo Manöver aufeinander abgestimmt sein müssen, können falsch verstandene Zeichen zu vermeidbaren Niederlagen führen. Das gilt auch, wenn Kritikpunkte unter den Tisch gekehrt werden, statt in offenen, aber respektvollen Diskussionen besprochen zu werden. Die besten Spieler mögen imstande sein, sowohl ihr Ego wie auch etwaigen Groll in der Umkleidekabine zu lassen, aber der Regelfall ist das nicht.

Zu den Teamkollegen im Profifußball, die sich gegenseitig nicht ausstehen können, sollen Edinson Cavani und Neymar bei Paris St Germain gehören. Unter anderem soll sich der Zoff um das Vorrecht auf Freistöße und Elfmeter drehen. Gerüchten zufolge denkt der Spitzenclub sogar darüber nach, Cavani zu verkaufen, um seinen Superstar Neymar glücklich zu machen.

Auch zwischen Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann, die außer bei Bayern München gemeinsam in der Nationalmannschaft kickten, wurde keine Liebe verloren. Matthäus, der Klinsmann Egoismus und Geldgier vorwarf, wettete 1994 mit Trainer Uli Hoeneß, dass Klinsmann keine 14 Saisontore für Bayern schaffen würde. Er bewies das Gegenteil, und Matthäus war um 10.000 Mark ärmer. Beide waren allerdings Sportler genug, um ihre Fehde nicht auf dem Rasen auszuleben.

Auch mit seinem Teamkollegen Stefan Effenberg war sich Matthäus nicht grün. Effenberg war der Ansicht, Matthäus habe zu häufig anderen Risiken überlassen.
In anderen Ländern wurden Fehden innerhalb einer Elf sogar gefährlich. 2007 verprügelte der als Rüpel verschriene Manchester City Kicker Joey Barton seinen Teamkollegen Ousmane Dabo so schwer, dass dieser ins Krankenhaus eingeliefert wurde und gegen Barton wegen Körperverletzung ermittelt wurde. Von Teamgeist und der Freundschaft innerhalb der Elf, die Sepp Herberger 1954 so eindringlich beschworen hatte, war in dem Extremfall nichts mehr zu spüren. dl