Die Schlossinsel ist das Herz des Binnenhafens. Foto: zv
Die Schlossinsel ist das Herz des Binnenhafens. Foto: zv

Harburgs Kolonialgeschichte: Vorgegebene Ergebnisse mit gut dotierten Posten?

Harburg - Es ist so etwas wie ein zweiter Versuch. Nachdem der 2006 von den Grünen ins Spiel gebrachte Kolonialpark, der rund um die Reste vom Harburger Schlosse im Binnenhafen entstehen sollte, nichts wurde, wird jetzt ein zweiter Anlauf gestartet. Die Verwaltung hat das Projekt "Mahnmal zum kolonialen Erbe der Stadt Harburg" ins Leben gerufen. Standort soll, wie damals, der Binnenhafen sein.

Dort will man mit Hilfe von "Denkwerkstätten" ein Konzept entwickeln, an denen die üblichen Institutionen aber auch die "Stadtteilöffentlichkeiten", womit vermutlich der gemeine Harburger gemeint ist, beteiligt werden.

Die Sache hat ein Vorspiel. Schon im April 2021 hatten SPD und Grüne so ein Mahnmal gefordert. Im Februar schlug die Verwaltung mit dem Vorschlag auf, dass Harburg seine Kolonialgeschichte kritisch aufarbeiten soll. Dafür sollten 15.000 Euro gezahlt werden - allerdings nicht für die Aufarbeitung, sondern als Bezahlung für die Forschungsstelle für wissenschaftlicher Zeitgeschichte an der Universität Hamburg, die sich nicht um das Thema, sondern für die Summe um das Einwerben von Fördermitteln kümmern soll.

Die Aufarbeitung selbst dürfte deutlich teurer kommen. Zwei studierte Zeitarbeitskräfte sollten für drei Jahre Arbeit mit 600.000 Euro dotiert werden, wobei auch "Sachkosten" durch den Betrag abgedeckt werden sollen. Das "kleine Problem". Fördermittel. sollten sie zur Verfügung stehen, reichen nicht. Deswegen landete das Thema am 2. Februar im Kulturausschuss. Der Beschluss: "Die Verwaltung und die Ausschussmitglieder streben darüber hinaus die Akquise von Spenden bei Harburger Firmen an, um die Realisierung des Forschungsprojektes zu unterstützen", wie es in der Niederschrift heißt, was soviel bedeutet, dass man zusätzliches Geld für die beiden Stellen und die Sachkosten aus der Wirtschaft einwerben muss.

Was die "wissenschaftliche Aufarbeitung" fragwürdig macht: Das Ergebnis steht ganz offensichtlich bereits fest. "Über den Harburger Binnenhafen wurden Güter wie Palmöl, Elfenbein und Kautschuk aus reichsdeutschen Kolonien angeliefert und für die Weiterverarbeitung transportiert. Harburg stieg dadurch als lokaler Knotenpunkt globaler Handelsbezüge zu einem wohlhabenden Industrie- und Hafenstandort auf und auch die Bevölkerung wuchs stetig", heißt es auf der Internetseite des Bezirksamtes. Und weiter: "Wissenschaftliche Forschungsarbeiten zur kolonialen Gewalt-, Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Widerstandsgeschichte im Bezirk Harburg sind rar", womit auch die Kolonialgeschichte im Vorweg der wissenschaftlichen Forschung ganz klar eingeordnet und bewertet wurde. Man darf sich fragen: Was kommt bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung, außer zwei gut dotierte Posten, überhaupt raus?

Fragen dürfte man auch, warum man sich nicht an das Harburger Stadtmuseum gewandt hat und dort die Aufarbeitung anbindet, da absehbar ein nicht unerheblicher Teil der relevanten Unterlagen dort archiviert sein dürften oder warum die Forschungsstelle an der Uni Hamburg, die sich mit der kolonialen Vergangenheit Hamburgs beschäftigt, nicht einfach das Ergebnis ihrer Erkenntnisse mitteilen kann.

Denn die gibt es offenbar. So haben SPD und Grüne im April 2021 in einem gemeinsamen Antrag zur Kolonialgeschichte festgestellt: "In Hamburg ist dieser Aufarbeitungsprozess bereits weit fortgeschritten".

Zurück zum Denkmal. Woher das Geld dafür kommen soll, ist ebenfalls nicht bekannt. "Vorgaben zu möglichen Formen des würdigen Erinnerns gibt es nicht", so Sandra K. Stolle vom Bezirksamt. "Die weiteren Schritte für eine etwaige Mahnmalerstellung, die Durchführung entsprechender Wettbewerbe zur Gestaltung des Mahnmals oder anderer, mit der Realisierung des Konzeptes, zusammenhängender Prozesse werden nach der Fertigstellung des Konzeptes geklärt werden."

Immerhin hat man eine Ahnung, wohin das Denkmal kommen soll. An die Harburger Schleuse, weil dort die Waren aus den Kolonien rein und die daraus hergestellten Produkte raus gegangen sind. zv